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Diabetes

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Interview-Auszüge

Interview-Auszüge:

Kann Stress oder Perfektionismus Auswirkungen auf den Blutzuckerwert haben Die Antwort...

Sind die Symptome perfektionistischer Lebenseinstellungen bei Ihren Patienten eher die Regel oder die Ausnahme? Die Antwort...

Die Probleme von Diabetikern mit zu hohen Erwartungen an sich selbst und andere schaukeln sich leicht hoch. Wie können Sie als Psychologin tun, um diesen Kreislauf zu durchbrechen? Die Antwort...

Welche Tipps haben Sie für Menschen, die sich selbst und andere unter Druck setzen? Können die Ratschläge das Denken der Patienten langfristig beeinflussen? Die Antwort...

Lassen sich perfektionistische Verhaltensmuster verhältnismäßig leicht oder eher schwer korrigieren? Die Antwort...





Kann Stress oder Perfektionismus Auswirkungen auf den Blutzuckerwert haben

Es stimmt, dass wir Menschen mit einer körperlichen Stressreaktion reagieren, wenn wir unseren eigenen Erwartungen oder Ansprüchen nicht gerecht werden. Zu dieser körperlichen Stressreaktion gehört unter anderem - und dies ist für Diabetiker besonders interessant - dass die vermehrt freigesetzten Hormone Adrenalin und Cortisol der Funktion des Insulin entgegenwirken. Zusätzlich wird noch vermehrt Glukose in die Blutbahn ausgeschüttet, mit dem Ergebnis, dass auch hierdurch der Blutzuckerspiegel steigt.

Diese im Verlauf der Evolution angelegte Stressreaktion wirkt also auf vielfältige Weise im Körper und hat auf unterschiedlichen Ebenen Einfluß auf unsere Gesundheit. Nicht unterschlagen möchte ich jedoch, dass aufgrund der beschriebenen Reaktionsweise der Körper auch mehr Energie verbraucht und es daher bei dem einem oder anderen zu einem sinkenden Blutzuckerspiegel kommen kann. Wichtig ist, dass jeder Diabetiker sein eigenes individuelles Reaktionsmuster findet.

Aus dem Beschriebenen ergibt sich eigentlich schon, dass das Erreichen zufriedenstellender BZ-Werte schwieriger wird, wenn man ständig unter dem Druck steht seine Ziele unbedingt erreichen zu müssen.

Stellen sie sich einmal einen Mann in den besten Jahren vor, beruflich erfolgreich in einem mittelständischen Unternehmen in einer Leitungsposition. Diese Stellung hat er sich hart erarbeitet. Geholfen haben ihm hierbei sein Leistungsstreben, seine Genauigkeit, seine Anstrengungsbereitschaft und seine Anpassungsbereitschaft. Dem Erreichen der beruflichen Position wurden familiäre, gesundheitliche, private Ziele etc. untergeordnet.

Erkrankt diese Person nun an Diabetes, muss sie sich - eventuell erstmals - mit sich selbst und ihrem Körper auseinandersetzen und erleben, dass der Körper nicht einfach so funktioniert. Das bedeutet, "plötzlich" können Besprechungen nicht mehr einfach so stundenlang ohne Pause geführt werden, Dienstreisen benötigen eine kleine Vorbereitungszeit, Eß-, Mess- und Spritzzeiten müssen in den Alltag integriert werden. Alleine die Veränderungen im Alltag erfordern schon eine deutliche Anpassungsleistung. Hierzu kommt nun noch die Auseinandersetzung mit dem Wissen um einen "lebenslangen Begleiter".

Findet man bei dieser Person prämorbid bereits Anzeichen, die auf einen unflexiblen Denk- und Verhaltensstil in Richtung Perfektionismus und Zwanghaftigkeit hinweisen, so werden Probleme in zweierlei Hinsicht auftreten. Zum einen muss das Manko als Mensch nicht "fehlerfrei" zu sein, in sein Selbstbild integriert werden; zum anderen wird es so sein, dass der überhöhte Anspruch keine Fehler machen zu dürfen, sehr leistungs- und detailorientiert zu denken, Regeln und Normen exakt einhalten zu müssen etc. die Auseinandersetzung mit der Erkrankung langfristig gesehen sehr erschweren.

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Sind die Symptome perfektionistischer Lebenseinstellungen (pedantisch geführte Messprotokolle, die Übertragung von Anforderungen aus der Technik auf den Menschen, Ungeduld und Unverständnis suboptimalen Werten gegenüber, Gefühle von Leistungsdruck u.ä.), bei Ihren Patienten eher die Regel oder die Ausnahme?

Da "meine" diabetischen Patienten in der Regel, die für sie passende Diabetes-Schulung bei einem Diabetologen besucht haben, sind sie gut darüber aufgeklärt, dass Blutzuckerwerte auch bei routiniertem Ablauf schwanken können. Diese Aufklärung ist ganz besonders wichtig für die Eltern von an Diabetes erkrankten Kinder. Aus der Verantwortung und Sorge heraus, findet hier mitunter ein sehr rigider Umgang mit der Erkrankung statt. Das Kind "lernt" dabei jedoch nur, dass es nicht normal funktioniert, dass es eingeschränkt und weniger belastbar ist. Daraus resultiert zwangsläufig eine negative Haltung und Ablehnung der Diabetes-Erkrankung. Nicht selten verleugnen diese Menschen später innerlich die Krankheit gegenüber sich selbst, und geraten somit in einen Teufelskreis von körperlichen Symptomen und Abwehr.

In der psychotherapeutischen Praxis thematisieren diabetische Patienten eher Schwierigkeiten in Bezug auf die Akzeptanz der Erkrankung. Einen Schwerpunkt stellt die Frage dar, mit welchem Grad an Offenheit zur Diagnose gestanden werden kann. Dies betrifft z.B. den Arbeitsplatz (Was erzähle ich meinem Chef?) oder die Partnerschaft. Partnersuche und Umgang mit Diabetes ist dabei natürlich insbesondere für junge Menschen ein ganz bedeutendes Thema.

Natürlich gibt es auch den Umstand, dass Pat. sehr ausgeprägt versuchen, optimale BZ-Werte zu erreichen. Diesem Ziel wird dann der gesamte Tagesablauf untergeordnet. Das bedeutet, dass jegliche Spontanität unterbunden wird und Essen beispielsweise nicht mehr als Genuss verstanden werden kann, sondern lediglich noch als "Aufnahme von Broteinheiten". Blutzuckerwerte, die außerhalb des selbstgesetzten Bereiches liegen, bedeuten für diese Pat. dann ein Versagen, einen Misserfolg. Über einen längeren Zeitpunkt betrachtet, führt dieser wenig flexible Umgang mit einer chronischen Erkrankung zu depressiven Verstimmungen, dem Gefühl ausgebrannt zu sein etc.

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Die Probleme von Diabetikern mit zu hohen Erwartungen an sich selbst und andere schaukeln sich leicht hoch. Stress führt zu Blutzucker-Schwankungen, die der Patient widerum als "Versagen" empfinden kann. Wie können Sie als Psychologin tun, um diesen Kreislauf zu durchbrechen?

Ich denke zu den ersten Schritten in der beschriebenen Situation gehört, den Pat. über die Zusammenhänge und wechselseitigen Beeinflussungen von Gedanken, Gefühlen und Körperreaktionen aufzuklären. Wissen macht im Umgang mit einer Erkrankung deutlich sicherer und nimmt Angst bzw. lässt vermeintliche Misserfolge in einem anderen Licht erscheinen.

Als Art "Notfallmaßnahme" könnte man dem Pat. zusätzlich zeitlich befristet höhere BZ-Werte regelrecht "erlauben" und ihn hierüber vom Druck funktionieren zu müssen, befreien. Nach meiner Erfahrung ist es ferner günstig, wenn Pat. untereinander die Möglichkeit haben zum Beispiel in Gesprächsgruppen sich auszutauschen. Im Praxisalltag erlebe ich häufig, wie sehr die Pat. von den Erfahrungen anderer in Krisensituationen profitieren.

Neben der Wissensvermittlung, der Verdeutlichung des Zusammenspiels von Geist und Körper und der Förderung von Erfahrungsaustausch, muss bei ausgeprägt perfektionistischen bzw. zwanghaften Menschen an der Anerkennung der Grenzen der Belastbarkeit gearbeitet werden. Gerade sehr pflichtbewusste Menschen neigen dazu, sich immer wieder zu überfordern und dieses erst spät zu erkennen. Der gesamte Alltag wird der Zielerreichung hier z.B. optimale Blutzuckerwerte zu erhalten untergeordnet. Die Fähigkeit zu entspannen, zu genießen, Freude zu empfinden ist reduziert, so dass dieses auch Themen in der Psychotherapie sind.

Zusätzlich sind im therapeutischen Prozess, schwierige Alltagssituationen, deren auslösende Bedingungen sowie die kurz- und langfristigen Konsequenzen intensiv zu erarbeiten.

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Welche Tipps haben Sie für Menschen, die sich selbst und andere unter Druck setzen? Können die Ratschläge das Denken der Patienten langfristig beeinflussen?

Diese Tipps können natürlich nur sehr allgemein formuliert werden. In einer Psychotherapie wird man sich immer sehr um den einzelnen Menschen und dessen individueller Problematik kümmern. Außerdem ist hier zu unterscheiden, ob es sich um eine zwanghafte Störung, die dann die ganze Person betrifft, handelt oder um "übergenaues" Verhalten bzw. Perfektionismusstreben im Umgang mit einer Erkrankung.

Wenn Sie dazu neigen, sich selbst immer wieder unter Druck zu setzen und sich hieraus ein Leidensdruck entwickelt, bietet es sich an, sich seine individuellen Lebensregeln zu erarbeiten und diese kritisch zu hinterfragen. Folgt man zum Beispiel Einstellungen wie: "Ich muss immer und überall perfekte BZ-Werte haben" geht man hiermit unangenehmen Gefühlen oder auch Reaktionen seitens des Arztes aus dem Weg, was natürlich zunächst mal positiv ist. Führt diese Einstellung dann aber dazu, dass das ganze Leben mit all seinen Facetten der Erkrankung untergeordnet wird, wird zwangsläufig das psychische Befinden in Mitleidenschaft gezogen werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt sollte eine Einstellungsveränderung erwogen werden.

Dies kann man in der Gestalt machen, dass man Argumente pro oder contra seiner Lebensregeln sammelt. In der Folge bietet es sich an, dass Sie einmal probieren, sich ganz bewusst entgegen Ihrer Einstellung zu verhalten. Mittels dieser Methode können Sie überprüfen, ob die befürchteten Konsequenzen eintreten oder aber aus unrealistischen Befürchtungen resultieren.

Versuchen Sie ferner, Entspannungsverfahren zu lernen und sich vom häufig praktizierten Alles-oder-nichts-Denken zu verabschieden: Es gibt viele Grautöne im Leben und nicht nur Weiß oder Schwarz bzw. richtig oder falsche Entscheidungen. Versuchen Sie, sich Gelassenheit zu erlauben und diese auch in einem positiven Licht zu sehen. Letztlich überlegen Sie sich, worüber Sie sich freuen könnten, was Ihnen Spaß bereitet, wie Sie sich auch körperlich / sportlich wieder betätigen könnten. Wenn Sie Freizeitaktivitäten gefunden haben, versuchen Sie diese in Ihren Alltag zu integrieren. Diese Aktivitäten sollten nichts mit Arbeit zu tun haben.

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Lassen sich perfektionistische Verhaltensmuster verhältnismäßig leicht oder eher schwer korrigieren?

Die gute Nachricht ist, dass sich unflexible Denkstile verändern lassen. Der Haken dabei ist, dass es sich hierbei nicht um ein einzelnes separates Symptom handelt, sondern um "gut gelernte Lebensregeln", welche die Person als ganzes erfasst haben. Man kann sich das so vorstellen, dass diese Denkmuster in der Kindheit und frühen Jugend von den für sie bedeutenden Personen (Eltern, Großeltern, Freunde...) übernommen werden. Irgendwann sind diese Einstellungen so verinnerlicht, dass sie automatisch, ohne das sie uns bewusst werden, ablaufen. Demnach handelt es sich um jahrelang oder mitunter jahrzehnte lang trainierte Denkweisen.

Jeder, der schon mal probierte, sich etwas gut angewöhntes wieder abzugewöhnen, weiß, wie langwierig und mühsam das Umlernen funktioniert. Hieraus wird schon deutlich, dass dieses sogenannte "Kognitive Umstrukturieren" nicht innerhalb von kurzer Zeit umgesetzt ist. Erschwerend kommt hinzu, dass perfektionistische Haltungen ("ich darf keine Fehler machen", "Ich darf niemanden enttäuschen" ....) hochgradig gesellschaftlich anerkannt sind, fördern sie doch schließlich auch das Vorwärtskommen einer Person und führen sie darüber zu Anerkennung und Lob.

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Psychotherapie Christiane Mörmel